Ein kaltes Bier nach dem Training und die Frage: Wann nennen wir das Kultur?

Im Training wird ordentlich geschwitzt; danach werden die Bierflaschen geöffnet, auf dem Grill brutzeln die Würstchen, Malle-Songs schallen aus den Jumbo-Musikboxen. Der HC Menschbleiben (ein Wortspiel abgeleitet vom Vereinsnamen HCME) ist ein Zusammenschluss der 2. Männermannschaft eines Handballclubs. Sie treffen sich, um gemeinsam Sport zu treiben – und um zu feiern.

Der HC Menschbleiben ist ein Ausdruck von Kultur, das ist für mich klar, aber warum ist er das? Zunächst hatte ich das Bedürfnis ihm Attribute zuzuschreiben, die man nun mal mit Kultur assoziiert: Die Partyhits, die gehört werden, sind ein musikalischer Kulturaspekt; die selbst designten Logos und Fanartikel haben einen künstlerischen Charakter.

All das stimmt, aber warum muss sich eine solche Gemeinschaft rechtfertigen? Ist Kultur nicht, dass Menschen zusammenkommen, dass sie sich begegnen und austauschen? Warum also sollte man den Kulturbegriff nur im strikten Kontext von Musik, Kunst, Theater, etc. nennen.

Wenn ich den HC Menschbleiben sehe, dann sehe ich neben Gegröle und Feierlaune auch eine zusammengeschweißte Gruppe. Ich sehe gegenseitige Unterstützung, sorgfältige Planung und selbstlose Mühen. Was ich sehe, sind Menschen, die bereit sind von sich aus etwas in die Gemeinschaft einzubringen, seien es nun Bemühungen, Arbeitszeit, Snacks oder einfach die gute Stimmung. Das sorgt dafür, dass auch alle wieder etwas mitnehmen: Muskelkater, soziale Bestätigung und das Gefühl nach dem Feierabend wertvolle Zeit mit Freunden zu verbringen und sich einfach mal zu entspannen.

Kultur steckt in vielen kleinen Dingen in unserem Alltag, die wir erst als solche erkennen, wenn wir unseren Blick etwas ausweiten. Wenn wir das tun, findet sich Kultur auch in dem Grillabend, der inzwischen Tradition ist, in dem Bilder krakeln mit der dreijährigen Nichte und beim gemeinsamen Sporttreiben.

Der Kulturbegriff ist ein Begriff mit viel Ambivalenz, der sich schwer eingrenzen lässt. Man kann das als Schwäche sehen („Heutzutage weiß doch niemand mehr, was Kultur überhaupt bedeutet!“) oder man sieht es als Stärke („Vielleicht müssen wir das gar nicht so genau festlegen“). Man kann ihn zwar grob verordnen: Es geht in den Grundzügen um gesellschaftlichen Mehrwert, um Ästhetik, um Gemeinschaft, um das Menschliche. Aber vielleicht lässt man die Definitionsgrenzen bewusst offen und ermöglicht sowohl eine fluide als auch eine individuelle Auffassung. Schließlich kann der Begriff so genauso mehrschichtig sein, wie das was er bezeichnet.


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